Gemeinsamer Gesang bringt die Welt auch 2023 in Leipzig zusammen

Die 23. Auflage des Internationalen Festivals für Vokalmusik „a cappella“ Leipzig ist am Samstagabend mit einem traditionellen Abschlusskonzert sowie beglückenden Zuschauerzahlen und -stimmen zu Ende gegangen. Vom 28. April an gab es in verschiedenen Spielstätten der Musikstadt Leipzig 11 Abend- oder Nachmittagskonzerte mit Profigruppen der Szene, einen Vortrag zur Stimmentwicklung und – nach drei Jahren Pause – auch wieder einen internationalen Wettbewerb für Nachwuchsvokalensembles. Das Eröffnungskonzert der Festivalleiter und -gastgeber amarcord, gemeinsam mit dem Ensemble Die Österreichischen Salonisten, war restlos ausverkauft und auch die folgenden Festivalkonzerte erfreuten sich zahlreicher Zuhörer und gefüllter Konzertsäle –  insgesamt lag die Auslastung der „a cappella“-Konzerte 2023 bei knapp 90 Prozent, ca. 5.500 Zuhörer waren dabei.



Die zum 23. Festival eingeladenen Vokalensembles sorgten für ein höchst internationales und vielseitiges Programm: Erstmals waren Ensembles aus Taiwan und Albanien bei „a cappella“ zu Gast, zwei weitere Gruppen zeigten sich mit einer multinationalen Besetzung, dazu kamen Ensembles aus Deutschland, Österreich, Großbritannien und Finnland. Insgesamt waren so von Nordamerika bis Südostasien elf Nationen vertreten und präsentierten A-cappella-Gesänge von der frühen Renaissance und jahrhundertealten europäischen Folktraditionen über Jazz-, Comedy- und Pop-Klänge mit lokalem Kolorit bis zu zeitgenössischer Klassik und modernem Beatboxing. Sie gastierten an Orten wie der Schaubühne Lindenfels, dem Kupfersaal, dem Gewandhaus zu Leipzig, der Evangelisch-reformierten Kirche oder erstmals auch dem Paulinum.

Beim 13. Internationalen „a cappella“ Wettbewerb Leipzig innerhalb des Festivalprogramms waren zudem sechs junge Ensembles aus Deutschland, Polen und Österreich (in der Wettbewerbsaustragung sowie einer öffentlichen Masterclass und einem gemeinsamen „Showcase“-Konzert) zu erleben. Den ersten Preis des diesjährigen Wettbewerbs und damit den mit 2.000 Euro dotierten „Leipzig a cappella Award“ gewann die Gruppe Art’n‘Voices aus Danzig, die eine enge Verbindung zum Museum für kaschubisch-pommersche Literatur und Musik in Wejherowo pflegt. Der zweite Preis des Wettbewerbs sowie der Publikumspreis 2023 gingen an das Ensemble Vocoder aus Hamburg, den dritten Platz belegte das Quintett Lylac aus Mainz. Art’n’Voices gewann zudem den vom Ensemble amarcord ausgelobten Sonderpreis für das beste unverstärkt gesungene Stück („A Lullaby for the Night“ von Zuzanna Falkowska).



Die Wettbewerbsgewinner sangen beim großen Abschlusskonzert des Festivals am Samstag gemeinsam mit den Gastgebern amarcord sowie der Gruppe Voco Novo aus Taiwan, dem Albanian Iso-Polyphonic Choir aus Albanien sowie dem multinational besetzten Sextett Accent, die ihre jeweilige Art zu musizieren in den vorangegangenen Tagen bereits in Einzelkonzerten vorstellen konnten. Accent begeisterten im Werk 2 mit anspruchsvoll-versiertem Vocal Jazz in der Tradition der Szene-Ikonen Take 6 (und somit voller farbiger Harmoniewechsel, filigraner Solostimmen u.a. in höchsten Tenorlagen und breitwandiger Akkorde). Im Kupfersaal bejubelte das Publikum das Konzert von Voco Novo, das ungemein sympathisch einen Stil zeigte, der feinsinnige Pop-
und Jazz-Klänge mit Musik und Themen seiner Heimat Taiwan (sowohl aus der chinesischen Kultur als auch die der taiwanesischen Eingeborenenstämme) zu verknüpfen weiß.

Die traditionelle Gesangsform Südalbaniens, die „Iso-Polyphonie“ (UNESCO-Weltkulturerbe), verzückte das Publikum in der Evangelisch-reformierten Kirche mit gleichermaßen archaischer „Note“ wie auch einer emotionalen, sehr puren Landesart. Ganz getränkt von der landeseigenen Vokalmusikhandschrift zeigten sich auch die hervorragenden  Lieder und Arrangements der finnischen Gruppe Kuvaja, die im Stadtbad ihr Deutschland-Debüt bei „a cappella“ feierte und mit gleichermaßen großem Gesang und Herz zahlreiche neue Fans gewann. Das Ensemble L’ultima parola bereitete dem Festivalpublikum dagegen im Paulinum die Musik Josquin Desprez’ in einem besonderen Konzertformat auf, das die komplexen Klänge seiner „Chansons de Regretz“ zum Teil fragmentarisch vorstellte und wieder zusammensetzte sowie mit Rezitationen und Erläuterungen zu den zugrunde liegenden Universalphilosophien aus Josquins Lebenszeit anreicherte.



Aus den Lebzeiten Johanna von Orléans‘ (einhundert Jahre früher) wiederum stammte der „Soundtrack“, den das britische Orlando Consort in der Schaubühne Lindenfels live zum Stummfilmmeisterwerk „Die Passion der Jungfrau von Orléans“ darbot. Das einzigartige und kunstvoll  spartenübergreifend einnehmende Konzertformat der britischen Pioniere für Vokalmusik des Mittelalters und der Renaissance war das drittletzte Konzerte der Gruppe, die sich nach 35 Jahren in den Ruhestand begibt, und somit ein doppelt denkwürdiges Konzert der „a cappella“-Historie. Auch die legendären einheimischen A-cappella-Comedy-Ikonen U-Bahn Kontrollöre in tiefgefrorenen Fraunkleidern traten – trotz eigentlichen Ruhestands – bei „a cappella“ 2023 auf und bescherten alten wie neuen Fans in einem Best-of-Abendkonzert und einem Familienkonzertformat im Schauspiel Leipzig großartige Unterhaltung mit abgedrehtem Humor und stimmigen A-cappella-Songs in Pop- und Rockmanier. Die Festivalgastgeber amarcord schließlich ließen in einem gemeinsamen Programm mit den Österreichischen Salonisten die Schlagermelodien und Salonklänge der 1930er bis 50er Jahre wiederauferstehen und den vollends gefüllten Mendelssohn-Saal des Gewandhauses in alten Zeiten und schmissigen Klängen „a cappella plus Instrumentenensemble“ schwelgen. In Zeiten, in denen – so die amarcord-Sänger im Laufe der Festivalzeit – weder volle Konzertsäle noch die Unterstützung für Kultur oder Frieden selbstverständlich sind, durfte das Festival „a cappella“ auf diese Weise neun Tage lang mit Gesang verschiedenste Menschen und Kulturen zueinander und in Austausch bringen und damit ein neugieriges, treues und singfreudiges Vokalmusikpublikum („das beste der Welt“) begeistern und bereichern.

So wird es bis zur nächsten, dann 24. Ausgabe von „a cappella“ nicht still sein – und die Vorfreude bleibt groß. Vom 3. bis 11. Mai 2024 lädt das Festival dann unter anderem Ensembles aus Mexiko, Bulgarien und den Philippinen nach Leipzig. Und der Internationale „a cappella“ Wettbewerb Leipzig darf dann zum 14. Mal ein Podium für den starken Nachwuchs der A-cappella-Szene sein. Der Vorverkauf für die Veranstaltungen des 24. Festivals „a cappella“ startet voraussichtlich in der Adventszeit.