Danke, Regenwald! Für die vielen schönen Erlebnisse!

Dieter Schonlau, Jahrgang 1963, begeisterte sich schon als Kind für den Regenwald. Mit 23 Jahren brach er gemeinsam mit seiner Freundin Sandra Hanke das erste Mal auf, um den Regenwald zu erkunden. Er hatte zu diesem Zeitpunkt seine Meisterprüfung zum Konditor absolviert und Sandra ihre Prüfung zur Restaurantkauffrau. Kennengelernt hatten sich die beiden in einer Diskothek, und schnell entdeckten sie ihre gemeinsame Leidenschaft – den Regenwald. Also setzten sie all ihr gespartes Geld ein und gingen auf große Reise in die Regenwälder Südostasiens. Im Verlauf dieser Reise lebten sie mehrere Monate im Dschungel auf Sumatra. Diese Reise war nicht nur die Erfüllung eines Lebenstraumes, sondern auch der Beginn einer Karriere als Fotografen-Team für die ganz großen Zeitschriften wie National Geografic oder GEO. Wer könnte also besser Auskunft darüber geben, was man im Urwald wirklich braucht? Redakteur Martin Große sprach mit Dieter Schonlau über den Dschungel, die Ausrüstung und den Mythos giftiger Schlangen.

Martin Große: Während Ihrer Reisen sind Sie oft monatelang im Dschungel unterwegs und leben währenddessen auch weit entfernt von der Zivilisation in den Wäldern. Wie halten Sie dabei Ihre Ausrüstung trocken?

Dieter Schonlau: Indem ich sie nicht nass werden lasse. Das klingt im ersten Moment lustig, aber das meine ich ernst. Wenn ich den Fotoapparat heraushole, überprüfe ich zuerst die Frontlinse und das Okular. Befindet sich Feuchtigkeit drauf, ist zuerst Putzen angesagt. Außerdem transportiere ich die Kamera in einem sehr guten wasserabweisenden Rucksack. In ihm befindet sich die Kamera auch grundsätzlich, wenn wir unterwegs sind. Ich trage sie nicht über längere Strecken lose über der Schulter. Klar verpasse ich so ab und zu ein Motiv, weil ich zu langsam bin. Doch wir können es uns nicht leisten, die Kamera zu riskieren. Wenn die Ausrüstung tatsächlich einmal feucht geworden ist, öffne ich den Rucksack und lasse ihn samt Ausrüstung von der Sonne trocknen. Gefährlich für die Ausrüstung sind Temperaturschwankungen, wie man sie als Tourist oft erlebt, wenn man aus klimatisierten Räumen ins Freie tritt. Durch den Temperaturwechsel entsteht Kondenswasser im Inneren des Fotorucksacks. Weil wir aber in den Wäldern leben, haben wir solche Schwankungen nicht. Mir ist von der Ausrüstung noch nie etwas vergammelt, denn wir pflegen sie permanent und überprüfen sie oft. Und wenn wir auf dem Wasser sind, wird alles doppelt und dreifach verpackt. Da sind wir sehr vorsichtig.

Wie halten Sie sich trocken?

Die Wäscheleine ist das A und O! Das erste, was im Lager aufgespannt wird, ist die Wäscheleine. Es ist das Wichtigste für die Kleidung, dass sie auslüften kann. Wir verpacken zwar alles sehr sorgfältig, doch egal wie sehr man aufpasst, in dem feuchtwarmen Klima sind Kleidungsstücke anfällig für Schimmel. Dadurch, dass wir aber nur das Notwendigste dabei haben, sind viele unserer Sachen beinahe täglich in Gebrauch. Dadurch liegt nichts tagelang in einer Tasche und kann vor sich hinschimmeln.

Wie schwer ist das Gepäck, das Sie dabeihaben?

Die Kameraausrüstung, mit der ich täglich im Wald unterwegs bin, wiegt inzwischen 18 bis 20 Kilogramm. Wobei es davon abhängt, wo wir sind und was wir fotografieren wollen. Zusätzlich zu meiner Ausrüstung haben wir immer zwei Stative aus Karbonfaser dabei, die meist meine Frau trägt, da habe ich Glück … (schmunzelt). Diese wiegen zusammen mit den Stativköpfen um die acht Kilogramm. Hinzu kommen auf jeden Fall noch als Tagesration für uns zwei knapp zehn Kilo/Liter Wasser und jede Menge Kleinkram wie ein Buschmesser und mehr. Ich nehme von der Fotoausrüstung meist alles mit, weil man nicht weiß, was man sieht. Das setzt schon eine gewisse körperliche Fitness und Leidensfähigkeit voraus.




  • Dieter Schonlaus Lebensgefährtin Sandra Hanke über dem Blätterdach des Regenwaldes von Surinam (Foto: Dieter Schonlau)Foto: Dieter Schonlau
  • Gegessen wird oft Fisch im Dschungel. (Foto: Dieter Schonlau)Foto: Dieter Schonlau
  • Sandra und Dieter auf Tour im Dschungel. (Foto: Dieter Schonlau)Foto: Dieter Schonlau


Das war aber nur die Fotoausrüstung …

Wir haben ein Zelt dabei, plus zwei spezielle Hängematten. Eine Matte wiegt knapp ein Kilogramm, sie haben ein integriertes Moskitonetz und Regendach. Alles in allem haben wir weitere zwölf Kilo Gepäck pro Person dabei. Darin enthalten sind zwei T-Shirts, zwei Unterhosen, zwei Trekkinghosen, Schuhe und zwei Paar Socken pro Person, und dann kommt noch jede Menge Kleinkram, wie Angelausrüstung, Fernglas, Lampen, Kochgeschirr, Machete, Schnüre oder auch eine Luftmatratze, die wir bei Flussüberquerungen benutzen. Für uns beide zusammen sind das dann ungefähr 50 Kilo Gepäck.

Was hat sich bei Kleidung als nützlich erwiesen, was ist ein No-Go?

Ein richtiges ‚No-Go‘ kann ich Ihnen nicht nennen, weil wir schon von Anfang darauf geachtet haben, nur sinnvolle Sachen mitzunehmen. Aber wenn ich daran denke, wie wir auf unserer ersten Reise losgelaufen sind … (lacht)

Ich hatte weiße Tennissocken an und eine einfache kurze Hose. Ich musste mir während der Reise in Sumatra eine Hose nähen lassen. Die war lila mit gelben Streifen. Das ging natürlich gar nicht. Inzwischen haben wir eine gewisse Routine, und wir sind beide keine Ausrüstungsfetischisten. Bei T-Shirts haben sich zum Beispiel einfache Baumwoll-T-Shirts als die besten herausgestellt. Wir haben auch diese Hightech-Shirts probiert, aber außer, dass diese schnell trocknen, gibt es keine Unterschiede. Die transportieren zwar den Schweiß nach außen, aber man schwitzt so sehr in diesen Gegenden, da macht das keinen Unterschied. Bei den Hosen hat es sich bei Flussüberquerungen als nützlich erwiesen, dass man die Hosenbeine entfernen kann. Beim Schuhwerk achten wir darauf, dass wir gute Lederschuhe mit einem hohen Schaft und einer festen Sohle tragen. Der Schaft ist ein wichtiger Schutz gegen Schlangenbisse. Teure Wanderschuhe, wie sie von vielen Ausrüstern hergestellt werden, sind für diese Weltgegend oft unbrauchbar. Denn sie haben vor allen Dingen die Funktion Schweiß nach außen zu transportieren, was in diesem Klima einfach nicht funktioniert. Aber wenn man einen guten Lederschuh regelmäßig wachst, kann eigentlich nichts schiefgehen.

Wie verhalten Sie sich nachts?

Wir gehen grundsätzlich die Wege, die wir nachts gehen, tagsüber schon einmal ab. Das ist wichtig, weil der Dschungel nachts ganz anders aussieht als am Tag. Dann bekommt jeder eine Stirnlampe, und los geht’s. Es gibt viele fremdartige Geräusche – ein einzigartiges Erlebnis.

Viele Menschen hätten dabei Angst vor Schlangen. Wie gehen Sie mit der Gefahr um?

Auf Schlangen muss man im Dschungel grundsätzlich achten. Doch es verhält sich nicht so, wie man es vielleicht im TV zu sehen bekommt. In vielen Sendungen läuft ein ‚Abenteurer‘ durch den Dschungel und fängt hinter jedem zweiten Baum eine Schlange. Zwischendurch schaut er grimmig in die Kamera und hält das arme Wesen vor die Linse. Meistens handelt es sich dabei um Schlangen, die dort hingebracht wurden. Die Tiere kommen gekühlt aus einer Box und werden vor der Kamera drapiert. Wir hingegen sind froh, wenn wir nach mehreren Monaten einmal eine Schlange erblicken. Wir haben von den Ureinwohnern gelernt, wie man Schlangen sucht und findet. Schlangen haben einen hellen Bauch und befinden sich überwiegend oben in den Bäumen des Urwaldes. Am Bauch erkennt man sie, wenn sie im Geäst eines Baumes hängen. Nichtsdestotrotz begegnet man ihnen auch am Boden. Weil wir die Schlangen fotografieren wollen, sind wir froh, wenn wir eine entdecken. Das kann aber manchmal auch Monate dauern. Das heißt nicht, dass es im Dschungel keine Schlangen gibt. Aber sie sind scheu und schwer zu entdecken. Wenn wir dann eine Schlange sehen, sind wir sehr vorsichtig. Liegt sie auf unserem Weg, gehen wir im großen Bogen um sie herum. Wir schauen generell immer sehr aufmerksam die Wege an, die wir entlanglaufen. Nachts leuchten wir sie sogar mit einer Taschenlampe aus. Beachtet man aber diese Grundregeln und hat festes Schuhwerk sowie lange Hosen an, kann man das Risiko von einer Schlange gebissen zu werden, sehr mindern. Uns ist auf jeden Fall noch nichts passiert.


Das Sumatran Orangutan Conservation Programme (SOCP)



Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?

Wir fahren gerne in den Regenwald, und es fasziniert uns, diesen wirklich zu erleben und kennenzulernen. Der Duft von frischen Blüten oder der Geruch von frischem Moos, und dazu all die Tiere und Pflanzen – das ist einfach wunderschön. Viele Leute, denen wir das erzählen, glauben uns anfangs nicht. ‚Der Dschungel ist gefährlich und dreckig‘, denken sie. Einen Satz, den wir auch oft hören ist: ‚Wirklich braun geworden seid ihr ja nicht‘. Diese Menschen gehen davon aus, dass wir zum Sonnenbaden in den Regenwald fahren und dass dies nicht geklappt hat. Kaum jemand will hören, dass es dort schön ist, dass wir gerne dort sind und dass wir da tolle Menschen treffen, von denen wir vieles gelernt haben. Viele Leute fragen uns, wie es bei den Primitiven ist? Ich sage dann immer, dass wir die primitiven Menschen eigentlich nur hier treffen und nicht im Dschungel. Andere Menschen fragen uns nach dem Kulturschock und sind verblüfft, wenn wir erzählen, dass wir einen Kulturschock bekommen, wenn wir wieder in Paderborn lan den und den ersten Supermarkt betreten und die ganzen Produkte sehen, die man nicht braucht.

Mit Ihrer Arbeit wollen Sie auch etwas zur Rettung der Regenwälder beitragen. Was können die Fotos und Vorträge dabei bewirken?

Wir haben uns lange überlegt, was wir bei unseren Vorträgen zeigen. Es liegt nahe, die abgeholzten Wälder und die Zerstörungen zu zeigen. Wir haben uns dagegen entschieden und entschlossen, das zu zeigen, was noch da ist. Sprich, wir wollen die Einzigartigkeit dieser Welt, diesen Reichtum an Tieren und Pflanzen abbilden. Wir möchten die Artenvielfalt dieses Lebensraumes in seiner gesamten Schönheit zeigen. Wir möchten so ein Bewusstsein dafür wecken, dass diese grüne Welt entlang des Äquators ein wichtiger Bestandteil dieser Welt ist, der unseren Schutz braucht. Der Regenwald ist die Lunge der Welt, er ist Kohlendioxidspeicher und Lebensraum zahlloser Tiere und Pflanzen. Mit unseren Vorträgen möchten wir ein Bewusstsein dafür wecken, dass der Regenwald erhalten werden muss. Wir versuchen, durch unsere Geschichten die Besucher für die Rettung des Regenwaldes zu begeistern. Wir haben bei jedem Event auch eine kleine Spendenbox im Saal. Das gesammelte Geld nehmen wir auf unsere Reisen mit und unterstützen Projek te, die aus unserer Sicht effektiv sind. Ob klein oder groß, das spielt keine Rolle. Das Geld kommt zu 100 Prozent an und soll effektiv genutzt werden. So unterstützen wir zum Beispiel das Sumatra-Orang-Utan-Schutzprogramm (SOCP). Das SOCP kämpft gegen das Aussterben dieser Menschenaffen und für den Schutz ihres Lebensraums, den tropischen Regenwald. Mit unserem Engagement möchten wir dem Regenwald Danke sagen für die vielen schönen Erlebnisse, die wir dort hatten.

Gibt es Beispiele, die Ihnen Hoffnung machen, oder Dinge, mit denen man selber zum Schutz der Regenwälder beitragen kann?

Es gibt viele Dinge, die wir sofort ändern könnten. Das Palmöl ist zum Beispiel ein großes Problem. Für die Gewinnung von Palmöl wird sehr viel Wald gerodet. Dabei gibt es genügend Alternativen, aber Palmöl ist eben billig. Das Schlimmste ist, man weiß das alles. Man kann mit Hilfe von Satelliten der Zerstörung zuschauen. Das geschieht alles nicht im Verborgenen, und dennoch war es noch nie so schlimm wie jetzt. Was uns Hoffnung macht, ist, dass wir bei der Bevölkerung in den Dörfern und Städten auf Borneo und Sumatra ein Umdenken erleben konnten. Die Menschen machen sich Sorgen, weil der Regen ausbleibt, die Flüsse verschwinden oder das Wasser verseucht ist. DieMenschen begreifen, dass die Tiere und Pflanzen, die Wälder wichtig sind für ihr Leben. Man ruft zum Schutz der Umwelt auf, Projekte entstehen, und in den Geschäften wird nicht mehr alles in Plastetüten gepackt.Dieses Umdenken vermisse ich manchmal in Deutschland. Ich denke, das Schlimmste ist der Massenkonsum in unserer Gesellschaft. Es wird zu viel weggeworfen. So viele Lebensmittel stehen im Supermarktregal nur, damit es voll aussieht. In vielen der Produkte ist wiederum Palmöl enthalten. Der Regenwald wird dafür gerodet, und dann wird das Endprodukt weggeworfen. Wenn jeder von uns auf den Massenkonsum verzichtet, kritischer die Waren und seine Einkäufe hinterfragt, dann wäre schon viel geholfen …

Wo waren Sie noch nicht – und wo geht die nächste Reise hin?

Darüber haben wir uns auf der Reise hierher unterhalten. Wir waren oft in Borneo und Sumatra. Insgesamt haben wir dort vier Jahre gelebt und trotzdem nur einen Bruchteil dessen gesehen, was man dort sehen kann. Das liegt eben an der Art und Weise, wie wir die Dinge kennenlernen möchten. Wir möchten dort leben und alles kennenlernen. Aber gerne möchten wir Zentralafrika besuchen und Gorillas sehen. Ein Traum ist auch, einen großen Vortrag über alle Gebiete entlang des Äquators zu machen. Neuguinea und das Amazonasgebiet möchten wir ebenso erneut besuchen.

Bei Ihrem Magazin handelt es sich doch auch um einen Restaurantführer, nicht wahr?

Ja.

Was wir auch immer dabeihaben, ist eine Mischung aus indischen Gewürzen. Die benötigen wir für den Fisch und generell beim Kochen. Wir nehmen immer ein Kilo plus Salz und Pfeffer mit. Zwischendurch, wenn wir mal in einem Dorf sind, wird die Mischung aufgefüllt. Aber geschmackvoll kochen … (schmunzelt), ist uns auch im Dschungel wichtig.

Wie kochen Sie denn im Dschungel?

In einem Wok. Den kaufen wir immer vor Ort, und in dem bereiten wir alles zu: Kaffee,Suppen, Piranhas. Manchmal schmeckt der Kaffee dann nach Fisch, aber das macht nichts.

Herr Schonlau, vielen Dank für das Interview.