Was Martin Luther und seine Gäste aßen und tranken

Ich habe oft den ersten Bierbrauer verflucht. Es wird mit dem Bier so viel Gerste verdorben, dass man damit ganz Deutschland erhalten könnte, und soll es also verderben, dass wir so schändliche Jauche daraus machen, welche wir danach an die Wand pissen. “Martin Luther war ein Freund klarer Worte und deftiger Aussprache, aber dass er gegen der Deutschen liebstes Getränk derart heftig polemisierte, muss manchem Zuhörer an der Luther’schen Tafel damals in Wittenberg wohlhart in den Ohren geklungen haben. Wann der Reformator diese Äußerungbei einer seiner berühmten Tischreden tätigte, ist nicht bekannt. Es dürfte wohl irgendwann in den 1530er-Jahren gewesen sein. Nun ja, das deutsche Reinheitsgebot für Bier war damals erst wenige Jahre alt und hatte sich in deutschen Landen noch nicht so richtig durchgesetzt. Und Luthers Klage scheint die damalige Notwendigkeit eines solchen Gebotes nur zu unterstreichen.

Auch wenn der Reformator der Überlieferung nach lieber Wein als Bier trank, so war er dem Bier genuss nicht abhold. Immerhin ein bis zwei Liter Dünnbier trank ein Erwachsener damals pro Tag – was angesichts der oft nicht gerade guten Qualität des Wassers wohl auch eine Frage der Gesundheit und des Überlebens war. Frau Käthe braute jedenfalls damals im Luther’schen Hause in Wittenberg pro Jahr etwa 4.500 Liter Bier. Ihrem Gatten scheint das Hausgebräu gut getan zu haben: „Während ich mein Wittenberger Biertrinke, fließt das Evangelium“, bekannte er einmal. Was nach dem Genuss des Bieres aus Naumburg floss, teilte er seinen Mitmenschen auch mit: Es verschaffe ihm einen leichten Stuhlgang am Morgen. Das war durchaus als Lob der guten Qualität des Gebräus zu verstehen.

Doch der Mensch lebt nicht von Bier allein. Wovon sich die Familie Luther damals in Wittenberg ernährte, wird anschaulich im Keller des Lutherhauses beschrieben, wo der Ausstellungsteil über das Alltagsleben im Haushalt des Reformators untergebracht ist. Dort erfährt man zum Beispiel, dass die Luthers damals den größten Tierbestand in ganz Wittenberg besaßen. Der umfasste mehrere Schweine, Kühe, Ziegen, Pferde und allerlei Geflügel. Deren Fleisch kam als frischer Braten auf den Tisch, hauptsächlich aber in konservierter Form – also geräuchert, getrocknet oder gepökelt. Fleisch wurde dann zum Beispiel in Hühnerbrühe geschmort, der Zwiebeln, Petersilie und allerlei Gewürze wie Rosmarin, Thymian, auch Koriander und Kümmel, beigegeben wurden. Allerdings galt Luther eher als Freund des einfachen Essens und Luxuswaren wie exotische Kräuter wurden nur zu besonderen Anlässen verwendet. Heimische Kräuter zog Frau Käthe im hauseigenen Garten selbst. Dort gedieh auch allerlei Gemüse und Obst. Nicht nur Pflaumen und Kirschen, sondern auch Pfirsiche und Feigen reiften dort und landeten später auf dem Tisch.

Und frischen Fisch gab es auch hin und wieder, denn man besaß im Garten einen eigenen kleinen Teich in dem Hechte, Gründlinge, Forellen, Barsche und Karpfen gezüchtet wurden. Das allerdings war schon wieder richtiger Luxus, denn frische Ware, insbesondere fangfrischer Fisch, war wegen der beschränkten Möglichkeiten der Kühlung teurer als getrockneter und gepökelter.



Wer trinkt ohne Durst? Wer isst ohne Hunger, der stirbt umso junger.

Dorothea, Köchin im Hause von Martin Luther und Katharina von Bora, konnte also durchaus aus dem Vollen schöpfen, was das Angebot an Speisen und Zutaten betraf. Luther war durch sein Gehalt als Universitätsprofessor und Geschenke des kurfürstlichen Landesherren in Wittenberg ein wohlhabender Mann. Einen nicht unbeträchtlichen Teil des Wohlstandes verdankte er allerdings seiner Frau Katharina, die sich um die Viehwirtschaft, den Garten und alles Geschäftliche im Hause kümmerte.

Eine der Einnahmequellen der Familie waren zahlende Gäste, meist Studenten, die dann auch an der großen Tafel im Speisesaal im Erdgeschoss des großen Hauses Platz nahmen – und zwar am späten Vormittag und am frühen Abend, wenn die Hauptmahlzeiten serviert wurden. Gegessen wurde übrigens hauptsächlich mit den Fingern, denn das damals übliche Besteck beschränkte sich auf Messer und Löffel.

Bis zu 50 Personen versammelten sich hier in der Regel, neben der Familie, den Bediensteten und den Mietern auch noch allerlei Gäste. Das erklärt dann auch den immensen Bierverbrauch im Hause Luther. Der Hausherr spülte sein Essen aber auch gerne mit gutem Wein aus sächsischen und thüringischen Landen, vom Rhein, aus Franken oder dem Elsass hinunter. Und bei solchen Genüssen kommt man dann auch leicht auf so lockere Sprüche wie: „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang.“ Schön gesagt – allerdings nicht von Luther. Man darf aber annehmen, dass er diesem Bonmot nur zu gerne zugestimmt hätte. Überliefert ist hingegen diese Weisheit: „Man soll den Gästen einen guten Trunk geben, dass sie fröhlich werden, denn wie die Schrift sagt: Das Brot stärkt des Menschen Herz, der Wein aber macht ihn fröhlich.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.