6. ACHAVA Festspiele Thüringen 2020

Kreativität, Dialog und Kompromissbereitschaft sind in diesem Jahr wichtige Kompetenzen, um trotz Pandemie-Regelungen ein interessantes ACHAVA -Programm voller Leben und Geschichten auf die Beine zu stellen. Dank vieler flexibler Partner ist dies auch gelungen. Die Zeitzeugengespräche finden jetzt als Live-Stream statt, einige Veranstaltungsorte mussten gewechselt werden. Dennoch kann im 75. Jahr der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald die Auseinandersetzung mit dessen Geschichte stattfinden, auch und gerade im Dialog mit Überlebenden; ein umfangreiches Schülerprogramm in mehreren Thüringer Städten wirbt für Erinnerung und Zivilcourage. Erstmalig sind Stadt und Universität Jena als Partner mit im Boot. Arnstadt erinnert an sein jüdisches Erbe. Eisenach feiert die 2. Interkulturelle Begegnungswoche. In Erfurt wird der Paradiesbaum „gepflanzt“, dessen Blätter die Besucher mitbringen werden, damit er als Zeichen der Hoffnung und Verständigung blühen kann.

Alles beginnt in Eisenach

Noch vor dem offiziellen Start des Festivals, lädt die Stadt Eisenach zu verschiedenen Aktivitäten ein. Am 6. September liest Nina Hoger (Schauspielerin und Tochter von Hannelore Hoger) Lyrik und Prosa von Else Lasker-Schüler. Zwei Tage später beginnt das Schülerprogramm. Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr gehört zum Auftaktwochenende der ACHAVA Festspiele wieder die große Interkulturelle Begegnungswoche mit Straßenfest, Konzerten und Gesprächsrunden, einem gemeinsamen Gottesdienst und Führungen.

Über die Jahre konnten und können immer neue Partner für das Festival gewonnen werden. Ob auf privater, universitärer oder kommunaler Ebene wird erkannt, dass ein Blick über den Tellerrand des Alltags bereichernd sein kann. Gemeinsame Aktivitäten bündeln die Kräfte und rücken wichtige Themen nach vorn. Arnstadt widmet der einstmals blühenden Syngoge der Stadt eine Ausstellung. Die Musikschule Arnstadt bringt Klassik und Klezmer bei einem Workshop mit anschließendem Konzert im Theater zusammen. In Jena bemüht sich die Universität einen berühmten Sohn der Stadt dem Vergessen zu entreißen. Eduard Rosenthals Einfluss auf die renommierte Universitätsstadt kann auf einem performativen Spurensuche erkundet werden, das jüdische Jena bei einem Stadtspaziergang.Die Reihe „Hört die Zeugen“ zeigt in Jena verschiedene Dokumentarfilme von Buchenwaldüberlebenden sowie zwei Zeitzeugengespräche.



Unverändert wichtig und eine der Säulen der ACHAVA Festspiele Thüringen ist die Begegnung mit SchülerInnen aus verschiedenen Thüringer Städten und Schulformen. Mit Zeitzeugengesprächen und musikalischen Projektwochen. Das Anliegen ist, den Jugendlichen Denkanstöße zu geben, sich kritisch mit dem eigenen Verhalten bei aktuellen Themen wie Rassimus, Antisemitismus, Gleichberechtigung und Zivilcourage auseinanderzusetzen. Bestenfalls werden dabei Vorurteile erkannt und eigene Lösungen gefunden, wie damit umzugehen ist.Das Schülerforum –in den letzten Jahrenim Thüringer Landtag zu Gast –heißt diesesJahr 150 SchülerInnen im Erfurter Zughafenwillkommen. Filme, Gesprächsrunden und Zeitzeugengespräche via Livestream hauchen den vermeintlich alten Geschichten Leben ein. Gegen das Vergessen!Die Schülerpanels in sechs Thüringer Städten beschäftigen sich in örtlichen Schulen mit den Erinnerungen der Buchenwald-ÜberlebendenNaftalie FürstundÉva Fahidi-Pusztai, die ebenfalls live aus Haifa (Israel) und Budapest (Ungarn) zugeschaltet werden.

75 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald

Im April machte das Coronavirus Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald in gewohntem Umfang unmöglich. Überlebende konnten nicht anreisen, Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Um so mehr möchte ACHAVA an Buchenwald erinnern. Die Open-Air Ausstellung „DIE ZEUGEN“ mit Überlebenden des KZ Buchenwald wird um weitere sechs Portraits des Weimarer Fotografen Thomas Müller erweitert und damit auch verstetigt.Das Weimarer Rathaus wird verhüllt und dient als Reflektionsfläche für Perspektiven von Überlebenden auf die Stadt und das Leben heute. Auf einer Videowall läuft vier Mal am Tagder Dokumentationsfilm über den Weimarer Ehrebürger „Ottomar Rothmann –Mensch“. Im Lichthaus Kino Weimar findet die Uraufführung des Dokumentarfilms „langsames diesseits. 4 monologe“ der Regisseure Siegfried Ressel und Hannes Richterstatt. Von Weimar nach Buchenwald (zurückmit dem Bus)geht am 13. September ein künstlerischer Gedankenspaziergang. Dieser nimmt die Besucher mit auf den Weg, den auch die Häftlinge damals nehmen mussten, als sie in das Konzentrationslager verschleppt wurden. Ausgewählte Geschichten vom Bau bis zur Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald werden die Spaziergänger begleiten.



Tag der offenen Synagogen in Erfurt

Am 17. September bietet der 1.„Tag der offenen Synagogen“ die Gelegenheit, alle Erfurter Synagogen (Kleine Synagoge, Alte Synagoge,Neue Synagoge) sowie die Mikwe kostenlos zu besuchen. Dafür hat die Stadt Erfurt ein vielseitiges Programm zusammengestellt. Besucher tauchen ein in die jahrhundertealte, reiche jüdische Geschichte der Thüringer Landeshauptstadt. Abschließend endet die Ausstellung „Perspektiven“ mit Fotografien von Ulrich Kneise und Marcel Krummrich in der Alten Synagoge am 20. September mit einer Finissage samt Versteigerung einiger Bilder mit ikonischen Motiven des jüdischen Erfurt.

2021 wird die BUGA in Erfurt beginnen. Schon im September 2020 „pflanzen“ die ACHAVA Festspiele Thüringen den Paradiesbaum auf dem Erfurter Petersberg. Er soll ein bleibendes Symbol für Friede und Versöhnung darstellen. Seit Oktober letzten Jahres können handgemachte Kupferblätter bei den Thüringer Sparkassen, Erfurter Hotels und der Touristinformation gekauft werden. Diese wird der arabisch-israelische Künstler Nihad Dabeet vom 12. –20. September persönlich am Baum anbringen.



In Nachgang an das 10-tägige Festival begegnet man der jüngeren Vergangenheit. Aus der DDR-Vergangenheit gibt es –im Gegensatz zu Überlebenden des 2. Weltkriegs und der Konzentrationslager –noch viele Zeitzeugen, die berichten können und viele unerzählte Geschichten. Am 2. Oktober bietet sich die Gelegenheit zum Austausch mit Zeitzeugen nach Sequenzen aus dem Langzeit-Dokumentarfilm „Brüder und Schwestern“ von Pavel Schnabel über Weimar vor, während und nach der Wende.„Die Nahtstelle“ beleuchtet am 1. Oktober das ehemalige Grenzdorf Neuenhof. Eine Eisenacher Schule begibt sich auf die Spuren der ehemaligen DDR. Nachmittags stellen sich Zeitzeugen der Öffentlichkeit. Die Geschichte des in Neuenhof geborenen Wilfried Linz –niedergeschrieben im Buch „Die Akte W.L.“ -dient als Gesprächsgrundlage für den Austauschbei Kaffee und Kuchen.

Weihnachtsoratorium von J.S. Bach

Bei diesem einzigartigen Musikprojekt treten die Gesangssolisten von amarcord hervor, wie zu Zeiten Johann Sebastian Bachs. Dazu spielt das Thüringer Bach Collegium in einer kammermusikalischen Besetzung und präsentiert die Orchesterstimmen solistisch. Das weltweit erfolgreiche Ensemble amarcord ist aus dem Leipziger Thomanerchor hervorgegangen. Mit dieser Darbietung des Weihnachtsoratoriums widmen sich die »Bach Stadt Leipzig« und das »Bachland Thüringen« gemeinsam einem der bedeutendsten Werke der Musikliteratur. Durch die historisch informierte Aufführungspraxis ist eine größtmögliche Perfektion und Werktreue möglich. Neben den Konzerten ist im Themenjahr »Musikland Thüringen« eine Live-Übertragung durch den Deutschlandfunk Kultur geplant.