Betreutes Hassen mit Ingo Appelt
Wenn alle jammern, läuft einer zur Höchstform auf und übernimmt das Steuer: Ingo Appelt! Der böse Junge der Comedy ist furchtlos wie eh und je und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Er riskiert einen Shitstorm nach dem andern und bietet sich als Hassfigur an. Aber Ingo kommt damit klar. Besser noch – er verschenkt zu jedem gekauften Ticket das Gratis-Seminar „Betreutes Hassen mit Ingo Appelt“. Einlösbar direkt während der Show. Kulturfalterredakteur Martin Große führte ein gutgelauntes Interview mit ihm. Am 13.4. kann man ihn bei Rotkäppchen in der Sektkellerei erleben.
Ingo Appelt: Hallo Herr Große. Gute Besserung. Wie ich hörte sind Sie krank.
Kulturfalter: Ja das stimmt. Deswegen sitze ich gerade im Homeoffice während wir telefonieren.
Sie rufen aus Halle an, Richtig?
Ja.
Ich war erst vor kurzem in Halle. Da habe ich in so einem kleinen Club mit „Final Stap“ gespielt. Das ist so ein kleines Nebenprojekt. Der Sänger von den „Prinzen“ Tobias Künzel hat mich gezwungen meine Songs auch live zu singen. Das war sehr schön dort. Und auch das Hotel nebenan war super. Ich weiß aber nicht mehr, wie der Club hieß…
Das könnte das Objekt 5 gewesen sein.
Ja das stimmt, so hieß der Club.
Jetzt sind Sie ja bald wieder in der Nähe und zwar in Freyburg bei Rotkäppchen. Dort heißt Ihr Programm „Startschuss“. Der Startschuss wofür?
Entstanden ist das Programm während der Pandemie. Es sollte der „Startschuss“ sein, dafür, dass es jetzt wieder losgeht. Alles war verboten und die Leute waren schlecht drauf, dann kamen die Inflation und der Krieg und da war es erst recht Zeit wieder in Sachen Aufklärung unterwegs zu sein.
Was heißt in Sachen „Aufklärung unterwegs“ sein?
Es passieren gerade viele Dinge und viele Leute sind scheiße drauf. Gefühlt führt alles ins Negative. Man könnte mein Programm auch mit „Betreutes Hassen“ beschreiben. Die Leute kommen zu mir, um mal Dampf abzulassen. Eigentlich müsste ich von Herrn Scholz dafür bezahlt werden (lacht). Außerdem ist das Programm auch ein bisschen das „Best of“ aus 32 Jahren. Ich lasse alles raus was geht, damit die Leute lachen können.
Wenn Sie so ein Programm machen, wer hört es zuerst: die Familie oder doch die Zuschauer bei Dieter Nuhr im Ersten?
(Lacht) Nein, das wird nicht getestet. Ich gehe auf die Bühne, wie andere in die Küche. Egal, was ich da mache - ich und das Publikum sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Früher gab es auch DVDs und Mitschnitte von den Programmen, aber jetzt heißt es immer: „das von der Bühne ist nicht mehr sendefähig“. Die Themen sind zu intim, manches ist politisch nicht zu 100% korrekt und vieles hat auch fast einem therapeutischen Ansatz. Ich fordere die Zuschauer auch direkt auf, den Frust rauszulassen. Vielleicht bin ich das Ventil Deutschlands. Ich bin da auch nicht empfindlich, wenn man mich beleidigt. Es ist schließlich auch Selbsttherapie. Ich gehe entspannter und fitter von der Bühne, als ich sie betreten habe.
Wie oft muss Ihr Programm aktualisiert werden?
Das geschieht täglich. Es ist ein Patchwork aus verschiedenen Sachen. Seit Jahren improvisiere ich jeden Tag. Man kann auch nicht nur einfach sein Programm herunterspulen, das bekommen die Menschen mit. Ich spiele seit Corona nur noch in solchen Sälen, in denen ich auch die letzte Reihe sehe. Das habe ich gemacht, weil oftmals nach Corona nur die Hälfte der Leute kam oder viel Platz zwischen den Reihen gelassen werden musste. Das war für die Veranstalter nicht cool und für mich auch nicht. Jetzt bin ich direkt dran an den Leuten und das ist viel besser, als in einem großen Saal.
Es wird aktuell viel darüber debattiert was wer wie gesagt hat und ob das so geht. Dabei scheinen manchmal die Inhalte in den Hintergrund zu rücken. Teilen Sie diese Beobachtung und was denken Sie darüber?
Ich habe hart dafür gekämpft, dass die Latte bei mir sehr tief hängt. Ich versuche zu zeigen: Nehmt es und euch nicht so ernst, seid nicht so empfindlich. Versucht Sachen auch mal lockerer zu nehmen. Aber was ist schon normal? Wir streiten darüber, dass man ‚Indianer‘ nicht mehr sagen darf und im Nachbarland ist Krieg. Was ist da wichtiger?
Sie bezeichnen sich auch als den „bösen Junge der Comedy“. Hat der Grenzen?
Na klar, die gibt es immer. Es ist wichtig bei einer Liveshow die eigenen Gesetze vorher festzulegen. Bei mir sollen die Leute mal auf die Kacke hauen. Deswegen auch das „Betreute Hassen“. Ich lasse mich am Anfang von den Gästen richtig auspfeifen. Die Leute sollen Bock haben mal was ohne Angst rauszulassen, denn das erleichtert. Durch das Internet fand eine große Demokratisierung statt. Die Themen sind die gleichen wie früher. Bildungspolitik, Jugendschutz, Veganismus oder was weiß ich. Gewisse Sachen sind nie lustig und nie locker und zugleich wird im Internet immer mit Angst gespielt. Putin macht Angst, der Weltuntergang macht Angst und immer das Böse erzeugt Aufmerksamkeit. Die Menschen sind leicht verführbar. Das ist bei Religionen ähnlich, auch da wird Angst erzeugt. Und diese Ängste will ich den Menschen nehmen.
Haben Sie schon einmal einen Shitstorm erlebt?
Seit ich auf der Bühne stehe, erlebe ich ‚Shitstorms‘. Das ist schon brutal, aber da hat sich nicht viel geändert. Jeder will immer dem Anderen etwas vorschreiben. Ich kann damit umgehen. Aber ich finde das ist mehr in die Breite gegangen. Mit Politikern will ich wirklich nicht tauschen. Die werden nur noch ausgepfiffen, auch wenn die übers Wasser laufen können.
Wann war es für Sie ein Abend ein gelungener Abend?
Eigentlich ist das immer der Fall. Mein Ziel ist es, dass das Publikum Muskelkater vor Lachen bekommt und das klappt meistens auch.
Herr Appelt, vielen Dank für das Gespräch.