Klangart Vision 2024 in Sachsen-Anhalt - Die Unbeantworteten Fragen

Sachsen-Anhalt ist das Musikland Deutschlands. Seine einzigartige Geschichte und die daraus entstandenen Werke und Traditionen sind reichhaltig. Ihre Entdeckung ist anregend und inspiriert immer mehr Menschen zur Beschäftigung damit und zum Schaffen von Neuem.
Die International Academy of Media & Arts e. V., kurz IAMA, hat sich diesem Entdecken und Beleben zur eigenen Bildung, Selbsterkenntnis, Talententwicklung und dem breiten kulturellen wie gesellschaftlichen Austausch darüber verpflichtet. Aus diesem Grund gibt es das Festival „Klangart Vision“, welches zeitgenössische Musik erlebbar machen will, Traditionen vermitteln und sie mit neuen musikalischen und interdisziplinären Ansätzen verbinden möchte. Ebenso wichtig ist den Festivalmachern, die Musik überregional bekannt zu machen und Menschen überregional einzuladen, Neue Musik in Sachsen-Anhalt zu erleben.

In diesem Jahr feiert das Festival schon ein erstes kleines Jubiläum – fünf Jahre – und widmet sich einem besonderen Thema: Die Unbeantworteten Fragen nach unserem Sein. Das verbindet sich zum einen mit dem Jubiläum des Schöpfers des gleichnamigen Werkes „Unanswered Question“ und zum anderen auch mit dem eines weiteren musikalischen Visionärs, der uns die Welt mit anderen Tönen hören lässt:



Charles Ives (* 20. Oktober 1874) und Arnold Schönberg (* 13. September 1874) – zwei herausragende Komponisten des 20. Jahrhunderts – in diesem Jahr könnten sie ihren 150. Geburtstag feiern. Obwohl sie im gleichen Zeitabschnitt gelebt haben und fast gleich alt geworden sind, kann ihre Musik nicht unterschiedlicher sein – wie und wer die gesamte Musikwelt mehr beeinflusst hat, kann zudem als unbeantwortbare Fragen stehen gelassen werden, da beide Protagonisten als zentrale Figuren in ihrem jeweiligen Kulturkreis (USA. bzw. Europa) gelten. Markus Steffen, der Künstlerische Leiter des Festivals, betont: „Obwohl Schönberg und Ives im gleichen Zeitraum lebten und fast gleich alt wurden, könnte ihre Musik nicht unterschiedlicher sein. Ihre Einflüsse auf die  gesamte Musikwelt sind eine unbeantwortete Frage, da beide als zentrale Figuren in ihren jeweiligen Kulturkreisen gelten.“

In der Jubiläumsausgabe des Festivals soll das Wirken dieser Komponisten mit der kulturellen Vielfalt des Musiklandes Sachsen-Anhalts  zusammengebracht werden. Ebenso berücksichtigt werden die musikalischen Credos von Ives und Schönberg sowohl mit ihren eigenen Werken als
auch mit ihren künstlerischen Nachfahren, die weiterverfolgt und weiterentwickelt werden. In den einzelnen Konzerten werden die beiden Jubilare in ihrem musikalischen Spannungsumfeld aufgezeigt – von den Einflüssen der Zwölfton-Musik Schönbergs bis hin zu Musik-Illustrationen von Charles Ives auf die heutige zeitgenössische Musikszene soll ein breites OEuvre vorgestellt – und damit nicht zuletzt auch der Revolution der elektronischen Musik ausgesetzt werden.



In Bezug auf die musikalische Vielfalt nimmt Sachsen-Anhalt in Deutschland eine besondere Stellung ein – das Land hat eine lange musikalische Tradition von Heinrich Schütz über Georg Friedrich Händel bis hin zu John Cage, die immer mehr erkannt und belebt wird. Die Wege zur Belebung müssen gesucht, gefunden, vermittelt und gepflegt werden – die Veranstaltungen des Festivals werden hierzu recherchieren, publikumsbezogen kuratieren und fortbilden und live aufführen.

Im Jahr 2024 wird das Festivalprogramm um vielfältige Veranstaltungspunkte erweitert. Die rund 20 Veranstaltungen finden in Aschersleben, Bernburg, Blankenburg, Dessau, Halberstadt, Halle, Kalbe, Magdeburg, Merseburg, Naumburg, Quedlinburg, Stendal und Wettin statt. Die Verbindung besonderer Orte mit besonderer Geschichte und unvergesslichen Erlebnissen wird ein weiterer Effekt mit touristischem Wert dieser Verbindung sein.

„Klangart Vision“ hat sich seit seiner Gründung dem Ziel verschrieben, Brücken zu bauen und neue Räume für Musik zu erschließen. Das Programm spiegelt diese Mission wider, indem es sich weder einem bestimmten Genre noch einem Ort verschreibt, sondern vielmehr ungewöhnliche Begegnungen zwischen Musiker/-innen und ihrem Publikum ermöglicht. Vom Kloster Michaelstein in Blankenburg, über das Bauhaus Museum in Dessau, die Kirche St. Wenzel in Naumburg, die Villa Westerberge in Aschersleben bis hin zum Puschkinhaus in Halle – überall wird spannende und teilweise nie gehörte Musik erklingen.

Das Festival präsentiert namhafte Künstler/-innen und Ensembles wie das Leipziger Vokalquartett, den Gitarristen Sandro Giampietro, das Ensemble „Renibre“, die Pianistin Miho Ohki, dem Duo Davit Drambyan und DJ Solar Cat, sowie die Ballettakademie Halle unter der Leitung von Emma Harrington und die Schauspielerin und Sprecherin Hansi Jochmann, um nur einige zu nennen. Es werden auch wieder zahlreiche Uraufführungen, unter anderen von den renommierten Komponisten Alfred Thomas Müller, Prof. Thomas Buchholz und C. René Hirschfeld zu hören sein. Die diesjährige Auftragskomposition für die Komponistenklasse Sachsen-Anhalt wurde an den jungen Komponisten Johannes Eichberg vergeben. Seine Uraufführung findet im Mai im Schloss Goßler in Kalbe statt. Ebenso jährlich wird der John-Cage-Award in Halberstadt verliehen und ist fest mit dem Festival „Klangart Vision“ verbunden. 2023
gewann der Musiker Antonio Jiménez Martin und wird nun in diesem Jahr zum Geburtstagskonzert von Frank Zappa in der Moritzburg Halle auftreten. Der Blüthner Klaviersalon Leipzig wird in diesem Jahr Partner des Festivals sein und stellt unter anderem ein Instrument für das Konzert am 28. April im Festsaal des Rathauses der Welterbestadt Quedlinburg zur Verfügung.



Höhepunkte aus dem Programm

Rituale / am 16.4. um 19 Uhr in der Nikolaikirche Wettin

Zwischen Neuer Musik und Elektronik

Zwischen Neuere Musik, Elektronik und Improvisation verortet sich das Ensemble „Renibre“, und aus dieser Synthese entwickeln die finnischdeutsche Sängerin Lissa Meybohm, der Schlagzeuger Ivo Nitschke und der Bratscher Cenk Erbiner einen inszenierten Konzertabend zum Thema „Rituale“. Die junge Leipziger Komponistin Beste Özcelebi hat sich bei ihrer Komposition „Estival“ von einem schamanistischen Ritual inspirieren lassen, der Feier des längsten Tages des Jahres, der Sommersonnenwende. Auch „Iset“ des Leipzigers Knut Müller spielt auf einen Ritus an, den Isis-Kult, bei dem das Sistrum, eine im alten Ägypten von Priesterinnen gespielte Metallrassel, eingesetzt wurde. Die Sängerin des Ensembles hat in einer halb theatralischen Rolle ein stabförmiges Sistrum, das sie auf den Boden aufschlägt, um damit einzelne Phrasen im Sprechgesang zu trennen oder Stellen im musikalischen Ablauf zu akzentuieren. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ beschwört eine Zeile aus dem Hölderlin-Text, den René Hirschfeld vertont und in eine Zeremonie der Furchtlosigkeit und Hoffnung verwandelt hat. Außerdem erwarten uns noch zwei Uraufführungen zum Thema Rituale vom bekannten Hallenser Komponisten Thomas Buchholz und von seinem Dresdner Kollegen Friedemann Stolte.

www.klangart-vision.de, weiterer Termin am 15.4. um 18.30 Uhr in der Kunsthalle Bernburg

 

Philip Glass meets Johann Sebastian Bach / am 9.5. um 19.30 Uhr in Naumburg

Vom Suchen überirdischer Schönheit

Auf der geschichtsträchtigen Hildebrandt- Orgel spielt Wenzels-Organist Nicolas Berndt (Foto) gemeinsam mit dem Saxophonquartett „sonic.art“ Stücke von Philip Glass und Johann Sebastian Bach. Die Musik von Philip Glass und einige Werke von Johann Sebastian Bach erscheinen beim ersten Hören zunächst unkompliziert zu klingen. Bachs Ouvertüre (Orchester Suite) BWV 1067, obwohl tänzerisch, ist sehr detailliert konzipiert, mit polnischen Themen, französischen Einflüssen, Fugen und Kanons, die beim ersten Hören geradezu am Hörer vorüberzufliegen scheinen. Philip Glass’ Mishima ist bei der Partitur-Analyse einfach konstruiert, aber emotional zutiefst wirkungsvoll, gerade durch die Einfachheit der Wiederholungen und die kleinen Veränderungen.
Diese Werke – transkribiert für Saxophonquartett – bekommen ein neues Leben: neue Farben, neue Texturen, neue Artikulationen, neue Emotionen. Das „sonic.art“-Quartett aus Berlin bringt diese Werke in neuen Fassungen nach Naumburg, ganz in der Tradition von J. S. Bach, der auch ein berühmter Bearbeiter war.

www.klangart-vision.de, in der Stadtkirche St. Wenzel Naumburg



Programm im Mai im Überblick

Rezilett – Robert und Julia / am 26.5. um 16 Uhr im Puschkinhaus

Rezitation trifft auf Ballett

Robert und Julia, Rebecca und Julia, sowie Raffael und Jerome – drei Paare, drei Liebesgeschichten, jede auf ihre eigene Art einzigartig. Die Inspiration
für diese Geschichten finden sich oft in den Werken großer Meister wie in William Shakespeares Romeo und Julia. Für die „Klangart Vision“ wird das Drama
ganz neu interpretiert: „Robert und Julia“ – ein Buch, ein Text, eine Geschichte von Liebe und Hass, die sich wie ein roter Faden durch die Zeiten zieht. In dieser Tragödie reflektieren wir, wie Liebe und Hass oft Hand in Hand gehen. Aber während Liebe und Antipathie ihre Gründe haben können, scheint Hass oft unerklärlich zu sein. Warum gibt es Hass? Hat er nicht Ursachen oder sogar Verhinderer? Für dieses einzigartige Projekt wurden 12 Musikstücke komponiert, gespielt von Andreas Voß (Cello) und Ivo Nitschke (Percussion). Unterstützt werden sie dabei durch die Rap-Einlagen des jungen Talents „That’zy“. Die Ballett-Akademie der Oper Halle unter der Leitung von Emma Harrington wird dazu tanzen. In dieser Aufführung wird auf eigene Art die Geschichte von Romeo, Julia und dem Hass, der sie umgibt, erzählt. Es ist eine Hommage an die zeitlosen Werke, die die Machenden inspiriert haben, und eine Erkundung der tiefen menschlichen Emotionen, die sie beschreiben.

www.klangart-vision.de

 

La Lingua / am 31.5. um 20 Uhr in der Moritzburg

Nach der Ursonate von Kurt Schwitters

Als ihn die bulgarische Sängerin Ina Kancheva auf die „Ursonate“ aufmerksam machte und sie sich eine Verbindung des Textes mit Gesang und Instrumenten vorstellen könnte, begann der Komponist Thomas Müller damit, sich intensiv mit diesem Text und mit dem Gesamtschaffen von Schwitters zu beschäftigen.Von Kurt Schwitters (1887–1948) gingen entscheidende Impulse für die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert aus. Als Dichter (er nannte sich Wortkünstler) reduziert Schwitters in vielen seiner Gedichte die Sprache auf Silben, Vokale, Konsonanten. Am konsequentesten zeigt
sich dies in seiner Dichtung „Ursonate“, in der alle semantischen Beziehungen aufgelöst sind. Thomas Müller wagte mit seiner Komposition „La Lingua del Ursonate“ ein Experiment und entwickelte aus Segmenten der „Ursonate“ eine autonome Struktur. Die Komposition La Lingua vereint Töne von Schlaginstrumenten mit Vokalklängen, die zu Kontrasten und an anderen Stellen zu Verschmelzungen führen. Gemeinsam mit dem Duo Ina Kancheva (Gesang) und Vassilena Serafimova (Percussion) (Foto) ist daraus eine szenisch-pantomimische Interpretation gelungen.

www.klangart-vision.de